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Seit 2009 vertreibt die Kooperative „La Manzana“ (deutsch: der Apfel) in der Region Los Ríos im Süden Chiles Produkte aus regional-ökologischer Landwirtschaft. Gemeinschaftlich betreibt die Gruppe in der Stadt Valdivia einen Laden, wo auch Hülsenfrüchte stark nachgefragt werden (ca. 1t/Jahr), da sie in Chile und generell Südamerika häufiger konsumiert werden als in Mitteleuropa. In den letzten Jahren hat der Import von konventionell produzierten Leguminosen die Anbaufläche in Chile um 95% schrumpfen lassen. In Zusammenarbeit mit Kleinbauern aus der Region, mit Wissenschaft und NGO‘s will die Kooperative den ökologischen Anbau, die Verarbeitung und Vermarktung von Hülsenfrüchten wieder fördern. Wir sprachen mit Jana Rohrbach, die das Projekt koordiniert.
1. Warum habt ihr ein Projekt zur Förderung des Anbaus von Hülsenfrüchten in den Regionen Los Ríos und Araucanía ins Leben gerufen?
Jana Rohrbach (JR): Aufgrund der billigeren Importe waren die Bauern der Region weniger konkurrenzfähig. Dazu erschweren andauernde Dürreperioden die Produktion in den traditionellen Anbauregionen Zentralchiles. Und wir als Kooperative fanden immer weniger Zulieferer. War das regenreiche Klima hier früher noch ein Hindernis für den Anbau von Linsen und Kichererbsen, gehen die jährlichen Regenmengen auch klimawandelbedingt zurück.
Wir riefen ein Pilotprojekt gemeinsam mit der Universidad Austral de Chile in Valdivia ins Leben. Wir unterstützten sechs regionale Betriebe bei ihren ersten Anbauversuchen von Kichererbsen, Linsen und schwarzen Bohnen, wovon die meisten erfolgreich waren. Inzwischen bauen manche Landwirt:innen schon im vierten Jahr Hülsenfrüchte an. Vom 100% regionalen Verkauf von Kichererbsen, Bohnen und Linsen sind wir zwar noch weit entfernt, aber durch das über den „Fondo Común“ (deutsch: Gemeinschaftsfonds) der Fundacion Lepe finanzierte aktuelle Folgeprojekt können wir weitere Bäuerinnen und Bauern ins Boot holen.
2. Wer sind die Projektpartner und wer hat welche Aufgaben?
JR: Das Kernteam des Projektes “Legumbres agroecológicas como alternativa económica para la agricultura familiar campesina, la adaptación al cambio climático y la regeneración de los suelos” (deutsch: Ökologischer Anbau von Hülsenfrüchten: Einkommensalternative für Kleinbauern, Anpassung an den Klimawandel und Bodenverbesserung) besteht aus sechs Mitgliedern unserer Kooperative, die folgende Aufgaben erfüllen: Projektkoordination, Beratung, Erstellung eines praktischen Handbuchs zum Anbau von Hülsenfrüchten, Öffentlichkeitsarbeit, Durchführung von Workshops und Feldtagen, Ein- und Verkauf der produzierten Hülsenfrüchte im Laden der Kooperative. Außerdem sind insgesamt 14 kleinbäuerliche Betriebe in den Regionen Los Ríos und Araucanía beteiligt und bauen in diesem Jahr Hülsenfrüchte an – einige zum ersten Mal. Dabei werden sie von uns aktiv unterstützt.
3. Wie fördert ihr konkret die Landwirte und die Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette - vom Anbau über die Verarbeitung bis zur Vermarktung?
JR: Wir nehmen die gesamte Wertschöpfungskette in den Fokus: Bodenvorbereitung, Aussaat (inklusive Ausgabe von ökologischem Saatgut), Anbau, Ernte, Dreschen und natürlich die Vermarktung über unsere Kooperative. Bei all diesen Schritten begleiten wir die Landwirt:innen und beteiligen sie an Workshops zu Anbaufragestellungen, die Herstellung von ökologischen Düngern oder die Gewinnung von eigenem Saatgut.
Wir bringen die Landwirt:innen in unseren Laden, damit sie das Konzept der Kooperative besser kennenlernen. Die Möglichkeit, die gesamte Ernte zu einem fairen Preis an die Kooperative verkaufen zu können, gibt den anbauenden Betrieben Sicherheit und Selbstvertrauen.
Die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch zwischen den Landwirt:innen wird über Workshops als auch über
eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe sichergestellt. Für uns als Kooperative waren die guten Beziehungen zu unseren Produzent:innen schon immer ein wichtiges Anliegen, ebenso die professionelle Unterstützung auf dem Acker, verlässliche Liefervereinbarungen, faire Preise sowie ein freundschaftliches und wertschätzendes Miteinander.
4. Welche Möglichkeiten gibt es für Konsument:innen, sich über die Vorteile von Hülsenfrüchten für eine gesunde Ernährung und Landwirtschaft zu informieren?
JR: Auch wenn die Nachfrage nach Hülsenfrüchten in unserer Kooperative relativ hoch ist, auf nationaler Ebene geht sie zurück. Daher ist die Öffentlichkeitsarbeit mit und für die Konsument:innen genauso wichtig wie die Produktion. Unser Projekt umfasst mehrere Veranstaltungen in Nachbarschaftsvereinen und Schulen, um Neues über Leguminosen zu lernen. Einerseits informieren wir dabei über den ökologischen Nutzen des Anbaus (Diversifizierung von Feldfrüchten, Stickstoff-Fixierung und Bodenverbesserung, Klimaanpassung etc.) und die gesundheitlichen Vorteile von Bohne, Erbse, Linse & Co. Gleichzeitig wollen wir die Leute für neue Rezepte und Zubereitungen begeistern, die gemeinsam in den Workshops ausprobiert werden.
Außerdem stehen drei Feldtage auf dem Programm: Durch den Besuch bei den Betrieben können die Leute direkte Einblicke in den Anbau von Hülsenfrüchten bekommen, mithelfen und natürlich die Erzeuger:innen kennenlernen. Diese direkte persönliche Verbindung und die Einblicke in die ökologische Landwirtschaft sind wichtig, damit wir den Wert der Lebensmittel und die Arbeit auf dem Land mehr zu schätzen lernen.
5. Wie soll es nach dem Projekt weitergehen?
JR: Wir hoffen, dass die Landwirt:innen auch nach Projektende weiter Hülsenfrüchte anbauen und andere dazu bewegen, dies auch zu tun. In den kommenden Monaten veröffentlichen wir ein Praxis-Handbuch zum Anbau von Hülsenfrüchten in unserer Region als leicht verständliche Hilfe für Neueinsteiger.
Wir möchten unseren Bedarf an Bohnen, Linsen, Kichererbsen und anderen Hülsenfrüchten mittelfristig komplett aus regional-ökologischem Anbau decken und mehr Menschen für einen nachhaltigen Konsum und eine gesunde Ernährung sensibilisieren. Dafür hoffen wir in Zukunft auf neue Projektförderungen. In diesem Kontext danken wir der Fundacion Lepe, die das aktuelle Projekt aktiv unterstützt.
Wir hoffen, dass das Projekt auch über unsere Region hinaus Impulse für eine ökologische und kleinbäuerliche Landwirtschaft gibt, Lösungen für eine klimaangepasste Landnutzung mit sich bringt und zu einem bewussteren und nachhaltigen Konsum führt, ganz nach dem Motto unserer Kooperative: Otro consumo es posible – otro mundo es posible (deutsch: Ein alternativer Konsum ist möglich – eine alternative Welt ist es auch!)!
Mehr Informationen über die Kooperative "La Manzana":
Instagram: @lamanzana.valdivia
Web: www.lamanzana.coop
Projektbeschreibung (Spanisch): https://www.fundacionlepe.cl/fondo-comun/cooperativa-la-manzana/
Fast 500 solidarische Landwirtschaften (Solawi) gibt es mittlerweile in Deutschland und keine gleicht der anderen, da diese Initiativen, die sich dem gemeinschaftlichen Anbau von landwirtschaftlichen Erzeugnissen verschrieben haben, die individuelle Handschrift ihrer Mitglieder tragen. Wir hatten das große Glück und konnten die Entwicklung der Solawi Lebenswurzel vor den Toren Dresdens mit aktuell 95 Ernteteilern in den letzten Jahren aktiv mitgestalten. Als zentrale Anbaufläche wird für die kommende Saison ein früherer Gärtnereistandort in der Gemeinde Graupa zwischen Dresden und Pirna bewirtschaftet. Hier stehen 1,5 ha Freiland und zunächst ein Gewächshaus mit 500 m² zum Bio-Gemüseanbau zur Verfügung. Weitere Gewächshäuser können bei Bedarf noch dazu gepachtet werden.
Eigenes Bio-Gemüse und regionale Produkte von Kooperationspartnern aus einem Umkreis von 20 km
Vielen ist das Solawi-Prinzip des Ernteteilens sicher bekannt. Bei der Solawi Lebenswurzel können die Mitglieder auf der einen Seite ihren Ernteteil ganz individuell zusammenstellen, d.h. aus den 40 Gemüsekulturen diejenigen für sich heraussuchen, die dem persönlichen Geschmack am meisten entsprechen und auch in der Bezugsmenge skalieren. Andererseits können neben dem selbst erzeugten Bio-Gemüse auch weitere landwirtschaftliche Erzeugnisse bezogen werden, wie Eier, Honig, Kartoffeln, Backwaren, Molkerei- und Getreideprodukte, Öl und Teigwaren. Das Besondere ist, dass die meisten Produkte aus einem Umkreis von 20 km um die Stadtmitte von Dresden kommen. Den Solawi-Mitgliedern ist neben der ökologischen Erzeugung auch die regionale Wertschöpfung wichtig. Das Geld, das sie für jeweils eine Saison (= 1 Jahr) für die solidarische Finanzierung eines Teiles der Landwirtschaft einzahlen, soll auch unmittelbar vor Ort wieder in neue Wertschöpfungsprozesse investiert werden. Dabei wird das Solidarprinzip noch erweitert, in dem neben der Sicherstellung des Jahresbudgets für die Gemüseerzeugung auch besonderer Wert auf die faire Entlohnung der Gärtner:innen gelegt wird.
OLGA Living Lab für regionale Wertschöpfung und Ernährung
Seit gut zwei Jahren begleitet Thomas Schindhelm vom OLGA-Verbundpartner Umweltzentrum Dresden e. V. aktiv die Weiterentwicklung der Solawi Lebenswurzel, die sich aktuell in einem Gründungsprozess zu einer Genossenschaft befindet. Mit diesem Pilotprojekt zum Thema Regionale Ernährung fließen wichtige Praxiserfahrungen aus den Bereichen regionale Wertschöpfung, nachhaltige Land-/Bodennutzung sowie regionale Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle in das OLGA-Projekt mit ein und können für Folgeaktivitäten wertvolle Hinweise und Anregungen liefern.
Momentan gibt es 6 Depots bzw. Abholstellen in Dresden und 3 im Raum Pirna. Für die kommende Saison ab April 2024 wird es im Januar/Februar 2024 eine für alle Interessierten offene Beitragsrunde geben. Informationen hierzu gibt es dann auf der Website der Solawi Lebenswurzel.
An einem verregneten Novembernachmittag machen wir uns auf nach Gostwitz, einem kleinen Dorf bei Riesa. Inmitten der großen Ackerschläge der Lommatzscher Pflege ist dort in den letzten zwei Jahren auf zwei ha ein kleines Paradies der Vielfalt entstanden: die solidarische Landwirtschaft (SoLawi) Baum.Frucht.Gemüse. Aktuell bewirtschaften Ramona Kempf und ihr Partner 1.500 m² der Fläche im Freiland und unter Folie, wobei die Ernte an aktuell 23 Anteilnehmer:innen bei einem Richtwert von 85 € pro Anteil geht. Perspektivisch soll der Gemüseanbau sukzessive auf bis zu 3.000 m² erweitert werden, der Rest der von der Lebenstraum Gemeinschaft Jahnishausen, wo die beiden mit ihren zwei Kindern leben, gepachteten Fläche wird laut Ramona extensiv und Biodiversität fördernd angelegt. In der letzten Zeit wurde viel Arbeit in die Entfernung der Quecke gesteckt. Der Boden war nahezu auf der gesamten Fläche von dieser ausdauernden krautigen Pflanze durchzogen, und um annähernd effizient Gemüseanbau betreiben zu können, musste diese bekämpft werden.
Uns fallen sofort die in bestimmten Abständen voneinander entfernten Baumreihen auf, die das Gelände schlangenlinienförmig durchziehen. Bei genauerem Hinsehen stellen wir die Anlage in drei Etagen fest: Bodennahe Kulturen in Form von Salbei und verschiedenen Kräutern, dann weiter oben unterschiedliche Beerensträucher, wie Stachel- und Johannisbeere oder auch Weide, und im obersten Stockwerk die in regelmäßigen Abständen gepflanzten Bäume, wie z. B. Maroni. Das 2021 eingebrachte Agroforstsystem im so genannten Keyline-Design ist so angelegt, dass es z. B. bei immer häufiger auftretenden Starkregen den Wasserabfluss und Bodenabtrag gezielt vermindert. Parallel zu den Baumreihen werden spezielle Grabenschlitze angelegt, die das abfließende Wasser gezielt auffangen und drainagenähnlich den eher trockeneren Hangbereichen/-kuppen zuführen. Bevor das System in Gostwitz angelegt wurde, hatten die Häuser
des weiter unten angrenzenden Wohngebietes regelmäßig den Schlamm der umliegenden Felder im Keller oder Flur. Dem soll nun mit Hilfe von Agroforst ein Ende gemacht werden. Zwischen den Baumreihen liegen die Gemüsebeete, die Folientunnel und Extensivflächen der SoLawi und bilden zusammen einen Garten der Vielfalt und (Bio-)Diversität. Für den Aufbau dieses regenerativen Agroforstsystems und des Betriebs der solidarischen Landwirtschaft wurde an Ramona dieses Jahr der Nachhaltigkeitspreis im Rahmen des Sächsischen Gründerinnenpreises vergeben.
Die Leute im Dorf und aus der näheren Umgebung nehmen die Aktivitäten der SoLawi Baum.Frucht.Gemüse positiv wahr. Einige Bewohner:innen sind Ernteteiler:innen, auch Menschen aus Riesa und sogar Döbeln kommen einmal wöchentlich ins Depot nach Gostwitz, um ihr Gemüse abzuholen. Das sei ja wie früher hier, sagen Spaziergänger, die bei samstäglichen Arbeitseinsätzen an der Fläche vorbeikommen und das emsige Treiben beobachten. In Zukunft soll der Betrieb fixkostendeckend arbeiten. Strom wird bereits über eine Solaranlage erzeugt, und es gibt einen eigenen Brunnen zur Bewässerung.
Ali Habiballah ist Zaituna! In Eigenregie stellt er delikaten Bio-Hummus und Falafel her und vertreibt seine Produkte in der Dresdner Verbrauchergemeinschaft für umweltgerecht erzeugte Produkte und in den Bio-Läden der Stadt. Um den regionalen Anteil der Zutaten, insbesondere der Hülsenfrüchte, die Ali für seine köstlichen aber geheimen Rezepte benutzt, noch zu erhöhen, bringen wir ihn in Kontakt mit Landwirten aus der Region, die schon Leguminosen anbauen oder es noch vor haben. Wie zum Beispiel mit Eckard Voigt, der in Doberquitz bei Leisnig u. a. grüne Linsen anbaut. Wir haben mit Ali über seine Zaituna-Produkte, die Philosophie des 1-Mann-Betriebs und Alis Erwartungen bezüglich des neu kreierten sensationellen Regionalproduktes Linsen-Falafel gesprochen. Diesmal findet ihr das Interview direkt zum Anschauen auf unserem Youtube-Kanal, den ihr übrigens auch gerne abonnieren könnt. Hier wird es in Zukunft noch mehr "Traffic" geben und Projektergebnisse zu sehen, hören und lesen geben. Schaut doch mal rein!
Das Palais-Café wurde ursprünglich 2019 als Pop-up-Café im Japanischen Palais als einer der Ausstellungsorte der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ins Leben gerufen, um Besucher:innen einen Erfrischungs- und Aufenthaltsort mit einem nachhaltigen Konzept anzubieten. Aus einem temporären Projekt ist ein Dauerbrenner geworden, der sich einer immer größeren Fangemeinde erfreut und dadurch auch gestiegenen Ansprüchen gerecht werden muss. Wir haben uns direkt vor Ort mit Agnieszka und Kathi, den beiden aktuellen Betreiberinnen getroffen, um mit ihnen über die alltäglichen Herausforderungen und Chancen im Betrieb dieses besonderen Cafés in Dresden zu sprechen.
Bio – regional – null-Müll! Mit diesen Ansprüchen geht das Team vom Palais-Café ins Rennen. Natürlich sind nicht alle Produkte bio, die in der offenen Küche verarbeitet werden. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Hin und wieder entsteht auch (Verpackungs-)Müll, weil kleinere Mengen an Lebensmitteln eben nur verpackt eingekauft werden können. Doch die beiden Frauen mit ihrem Team achten im täglichen Betrieb trotzdem stark auf ‘Zero Waste’ sowie die (Wieder-)Verwendung von Behältern und geretteten Lebensmitteln in ihren Speisen. Zum Beispiel trocknen sie die Kräuter aus den Hochbeeten im Atrium des Museums und stellen daraus eigenen Kräutertee her. Wenn dieser nicht gerade den Besucher:innen im Museum ganz umsonst angeboten wird, wird er - selbstverständlich - in wiederverwendeten Joghurtgläsern aufbewahrt.
BEIM ESSEN ÜBERS ESSEN SPRECHEN: LUNCH FOR LOCALS – EIN FORMAT, DAS ANKOMMT
Neben dem Café-Kerngeschäft von Mittwoch bis Sonntag 10-18 Uhr erfüllt das Team auch Catering-Aufträge für bis zu 300 Menschen, entweder bei Ausstellungseröffnungen im eigenen Haus oder auch zu jeglichen anderen Anlässen im gesamten Stadtgebiet von Dresden.
“Wir verstehen uns als Bildungsträger, indem wir den Menschen von unserem zero waste-Konzept und der Verarbeitung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln erzählen. Das kommt an, und die Menschen kommen wieder,” freut sich Agnieszka. „Die Leute müssen das dann auch mal aushalten, wenn wir keine To Go-Becher anbieten, dafür aber wiederverwendete Joghurt-Schraubgläser mit Pfand. Das ist der einzige richtige Weg für uns.”
Der Bildungsauftrag wird zusammen mit Partnern wie der Lokalen Agenda Dresden oder den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ausgeführt, z. B. beim so genannten „Lunch For Locals.“
Seit 2021 gibt es freitags hin und wieder dieses Format, das Ergebnis der Sehnsucht vieler Menschen nach der Corona-Zeit, sich persönlich zu treffen und über Esskultur und Nachhaltigkeit auszutauschen. Bei diesem Format genießen mehrere Menschen an einer großen Tafel ein vom Palais-Café gezaubertes Menu, kommen ins Gespräch und erfahren dabei mit allen Sinnen, wie regional, saisonal und kreativ auf dem Teller aussieht. Beim Lunch for Locals sind schon viele Freundschaften und auch berufliche Kontakte entstanden.
BESCHAFFUNG UND VERTRIEB DER LEBENSMITTEL: ZWISCHEN URBANEM GARTENPROJEKT UM DIE ECKE, MARKTSCHWÄRMER UND METRO FÜR REGIONALPRODUKTE
In der neuen Saison kommt ein Großteil des Gemüses aus dem nahegelegenen Dresdner Stadtteil Pieschen. Dort wird es von den UFER-Projekten Dresden e. V. in der Alten Gärtnerei angebaut, geerntet und zur Abholung durch das Personal vom Palais-Café bereitgestellt. “Die Leute sind begeistert, wenn sie erfahren, dass der Spinat in ihrer Lasagne eben noch in Dresden in einem urbanen Gartenprojekt gewachsen ist,” meint Agnieszka. “Das schafft Vertrauen. Den Leuten schmeckt es und sie verstehen, dass kurze Wege und lokales Gemüse einfach Sinn machen in Zeiten der Klimakrise.”
“Mehl, Zucker, Eier und Milch sind bei uns Produkte, die wir in größeren Mengen und damit auch verpackungsärmer einkaufen,” sagt Kati. Dafür kooperiert das Palais-Café mit der Biokonditorei Bucheckchen im Dresdner Stadtteil Leubnitz-Neuostra (Mehl), mit Hof Mahlitzsch (Milch, 36 km), mit dem Cityimker Dresden (Eier, 13 km) und mit der Firma Elb-Ferment (Zucker, 3 km). “Zu den meisten Kooperationspartnern haben wir über das Marktschwärmer-Netzwerk persönliche Kontakte aufgebaut,” ergänzt Kati. Bei Marktschwärmer Dresden war das Palais-Café vor allem während der Corona-Lockdown-Zeit mit seinen selbstgemachten Feinkostprodukten begehrt. Der Aufwand, alle Absatzwege und das Café gleichzeitig zu bespielen, wurde aber seit letztem Jahr zu groß. Nun wird erstmal nicht weiter geschwärmt, doch es gibt schon Pläne, bald wieder einzusteigen mit haltbaren Produkten, die länger gelagert werden können.
“Was die Logistik und Beschaffung der regionalen und lokalen Lebensmittel in Bioqualität betrifft, fehlt für uns nachhaltige Gastronomen in Dresden noch so etwas wie ein Großmarkt für eben diese Produkte,” stellt Kathi fest. “Wir müssen alle Produkte in Kleinstmengen und zwar mit kurzen aber trotzdem zahlreichen und aufwendigen Wegen beschaffen, obwohl es selbst bei unserem Durchlauf an Speisen und Getränken mittlerweile logistisch viel effizienter wäre, größere Mengen am besten regional zu beziehen.”
MULTIPLIKATOR FÜR EINE NACHHALTIGE ERNÄHRUNGS- UND KONSUMKULTUR
Agnieszka und Kathi wollen ihre Ideen für eine nachhaltige Ernährungs- und Konsumkultur weiter nach außen tragen und Menschen dazu ermutigen, sich regional und saisonal zu ernähren. “Wir können uns gut vorstellen, z. B. dass das Japanische Palais zu einem 'Lebensmittelpunkt' wird, wo Menschen wöchentlich zusammenkommen und sich austauschen können – ähnlich wie bei einem Wochenmarkt."
Leider bleibt den beiden nur wenig Zeit, um neue Ideen und Projekte anzustoßen und diese gemeinsam mit Kooperationspartnern, wie Ernährungsrat oder Lokale Agenda Dresden etc., zu verfolgen. “Wir wünschen uns für die Zukunft, uns dort noch stärker einbringen zu können."
HIER geht's zum Palais-Café!
Für die Landwirtschaft in Deutschland und Europa wird es höchste Zeit, sich an die Klimaveränderungen anzupassen. Dazu gibt es weltweit eine Menge von guten Beispielen und Ansätzen. Einer der Reallabore und Think Tanks, wo zum Thema Landwirtschaft im Klimawandel experimentiert und gestaltet wird, ist Domin’s Hof in Peickwitz bei Senftenberg/Südbrandenburg.
Dort wendet Thomas Domin altbekannte Methoden auf seinen Äckern an: die Agroforstwirtschaft, eine Landwirtschaft mit Bäumen. Aber was bringt Agroforst? Die Bäume auf dem Acker unterstützen den Feldfruchtanbau. Sie speichern Wasser, bremsen Wind und den Starkregen, sammeln die Feuchtigkeit aus der Luft und geben sie an den Boden ab, spenden Schatten, geben Vögeln einen Nistplatz, welche wiederum die Schädlinge fressen, reichern den Boden mit Nährstoffen an und sie diversifizieren den (wirtschaftlichen) Ertrag der Landwirt:innen, indem sie Energieholz, Früchte oder Nüsse anbieten.
Die Etablierung von Agroforstsystemen dient dem Erhalt und der Regeneration unseres Planeten. Landwirt:innen können damit sogar auf lange Sicht ihren Ertrag optimieren. Am Anfang muss dafür jedoch ein wenig Geduld, Arbeitszeit und Geld investiert werden, um ein Agroforstsystem anzulegen und zunächst auf den vorher auf dieser Fläche erzeugten Ertrag zu verzichten. Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) geht davon aus, wenn auf 10 % des Ackers Bäume gepflanzt werden, dann kann das auf lange Sicht bis zu 17 % Mehrertrag von dem dazwischen angebauten Weizen bedeuten. Ganz schön effektiv, oder? Durch die Baumreihen wird weniger Fläche befahren, das spart Arbeitszeit und Sprit.
Die Bäume interessiert das nicht, sie kompensieren trotzdem fleißig weiter CO2 ;-). Jeder, der sich mit regenerativen Lösungen in der Landwirtschaft, wie zum Beispiel Agroforst, beschäftigt, sollte Domin’s Hof besuchen. Mit dem Projekt OLGA führten wir in den Jahren 2021 und 2022 auf seinen Flächen Untersuchungen zu den Auswirkungen von Agroforstsystemen in Form von flächig angelegten Agrarholzstrukturen auf ein benachbartes Fließgewässer durch. Mehr Informationen zu den Ergebnissen der Untersuchungen gibt es HIER.
An einem grauen Novembertag mache ich mich mit Daniel und Markus von NamNam Natura auf den Weg ins Böhmische Mittelgebirge, wo sie seit gut vier Jahren ein 3000 m² Obstwaldsystem in Permakultur bewirtschaften. Für mich wird es ein aktiver Praxistag verbunden mit Gesprächen von der Gemeinsamer Agrarpolitik der EU über Permakultur und Romantik bis zur Festigkeit des nordböhmischen Lehmbodens.
Alles nahm seinen Anfang im Jahr 2017, beide noch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden studierten, Daniel Landschafts- und Freiraumentwicklung und Markus Gartenbau. Die Überzeugung, dass eine regenerative Landbewirtschaftung möglich ist, sollte so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. NamNam Natura war gegründet. An die Fläche in Tschechien sind sie über einen Freund gekommen – natürlich zu viel günstigeren Konditionen als in Deutschland. Viele hätten eine romantische Vorstellung von Landwirtschaft. Doch in Realität sei es harte Arbeit, stellt Daniel fest. Landwirtschaft im Kleinen. Besonders im Obstanbau werde fast alles in Handarbeit gemacht. Durch die Arbeit im Büro zwischendurch käme Abwechslung rein und sei nicht jeder Tag körperlich so anstrengend, meint er.
Auf der Autobahn gen tschechische Grenze mit vier großen Kirschbäumen und vielfältigen Beerensträuchern in Töpfen im Transporter sprechen wir über die Systematik der Gemeinsamen Agrarpolitik und deren Auswirkungen. Warum haben nicht schon viel mehr Landwirte regenerative Systeme für ihre Flächen und Böden entdeckt? Die Rahmenbedingungen der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik, der Landesförderung oder auch sektorale rechtliche Bestimmungen im Natur- und Gewässerschutz sind noch nicht auf regenerative und multifunktionale Landnutzungssysteme ausgerichtet. Hier erhofft man sich von der neuen GAP 2023 erste Lösungsansätze.
Auf der Produktionsfläche am Rand der 100-Seelen-Gemeinde Dřemčice ist schon einiges gewachsen in den vier Jahren. Wir pflanzen Wein, Stachelbeeren, Erlen, Apfelbäume, Felsenbirnen, Schwarze Honigbeere, Sezchuanpfeffer, Tazybeeren und portugiesische Birnenquitte – denn der November ist ein guter Pflanzmonat. Je multifunktionaler und vielfältiger das System angelegt sei, umso besser, sagt Markus. Man achte beim Pflanzdesign darauf, dass die Kombination von Arten so gewählt werden, dass sie sich gegenseitig in ihren Funktionen unterstützen. Zusätzlich trägt die optimale Ausnutzung des Raumes durch Pflanzungen in verschiedenen Lagen (Baumebenen 1. und 2. Ordnung, Strauch- und Bodenebene) zur Artenvielfalt bei.
Der schwere Lehmboden macht mir beim Schließen der Pflanzlöcher zu schaffen. Daniel und Markus sind das gewohnt. Ihr Geschick beim Vorbereiten der Fläche und beim Pflanzen der Kulturen verrät, dass sie bereits viel Erfahrung haben und ein eingespieltes Team sind. Da gönne ich mir zwischendurch doch mehr Verschnaufpause mit Blick über die fruchtbare Ebene des Eger-Beckens, die von den typischen Basaltkegeln des Böhmischen Mittelgebirges mit hie und da einer Burgruine drauf durchstoßen wird. Sicher ein tolles Panorama, nur an diesem Tag leider im Nebel!
Den Ertrag, den das Land abwirft, über 40 verschiedene Obstarten, dazu Nüsse, Pilze und Kräuter, vermarkten Daniel und Markus alle zwei Wochen in den vier Dresdner Standorten von Marktschwärmer. Daniel und Markus laden die Leute ein, bei Marktschwärmer regional einzukaufen, ihre Produkte aus regenerativer Landwirtschaft zu probieren, um dabei vielleicht die Vielfalt, die Permakultur bietet, zu schmecken und im eigenen Garten umzusetzen. [Anke Hahn]
Die Permagold Genossenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, gesunde Lebensmittel, ökologisch wertvoll in regenerativer Landwirtschaft zu produzieren. Im Einklang mit der Artenvielfalt, dem Schutz des Klimas, der Böden sowie dem Grundwasser sollen die Menschen Zugang zu Lebensmitteln voller Geschmack aus regionaler Produktion bekommen. Mit ihrem ersten Erzeugerbetrieb in Nebelschütz möchte Permagold auch die Einwohner:innen von Dresden mit frischen regionalen Produkten versorgen. Wir haben mit dem Vorsitzenden der Genossenschaft, Andreas Kretschmer, über das Selbstverständnis und die "Stadt-Land-Brücke" im Kontext von Permagold gesprochen.
Euer Slogan lautet „Agrarwende aus Bürgerhand“. Welchen Auftrag erfüllt Permagold als Genossenschaft in dieser Hinsicht für die Region Dresden?
Andreas Kretschmer: Dieser Auftrag besteht aus zwei Komponenten: Einerseits die Entscheidung für ein demokratisches Genossenschaftsmodell, das es ermöglicht, anders wie in einem Kapitalunternehmen, mit einer Vielzahl von Menschen gemeinsame Ziele zu verwirklichen. Andererseits die Fokussierung auf Bewirtschaftungskonzepte, welche Mischkulturen fördern, wie z. B. Waldgärten-, Permakultur- und Agroforstsysteme. Die Permakultur, welche namensgebend für Permagold war, ist nicht nur ein Anbauprinzip, sondern auch eine Kultur sozialen Zusammenlebens, die eine neue Erlebbarkeit in der Wertschöpfungskette vom Erzeuger zum Verbraucher ermöglichen kann. Genau das wollen wir zunächst in der Region Oberlausitz pilotieren und umsetzen. Aus der Subsistenzwirtschaft ist bereits bekannt, das Waldgärten und Permakultursysteme funktionieren. Wir wollen zusätzlich beweisen, dass man diese Systeme in der Fläche skalieren und so einen Mehrertrag erwirtschaften kann, der über die Eigenversorgung hinausgeht und einen Beitrag zur Versorgung der städtischen Bevölkerung leistet. Wir betreiben ökologischen Landbau im Rahmen eines in Sachsen neuartigen Systems, in dem aromatische Lebensmittel aus Mischkulturen erzeugt und auf den Regionalmarkt gebracht werden. Unser Tun soll die regionale Wertschöpfung steigern, die Arbeit sozial finanzierbar machen und Genuss bei den Verbraucher:innen erzeugen. Wenn uns das gelingt, glaube ich, können wir mit Permagold eine wertvolle Ergänzung der vielfältigen Initiativen sein, die es im Bereich Ökolandbau und Regionalvermarktung von Bio-Produkten in der Region Dresden schon gibt.
Liegt der Schwerpunkt von Permagold eher auf der Versorgung der Stadt oder geht es um eine Versorgung von Stadt und Land gleichermaßen?
AK: Der Schwerpunkt liegt auf der Versorgung der Stadt, aber der Direktvertrieb in der Betriebsregion Oberlausitz spielt natürlich auch eine große Rolle. Deswegen ist auch die Belebung von Dorf- und Hofläden ein Kernelement des Direktvertriebs und unserer Philosophie. Da sind wir in engem Austausch mit den Erzeugerbetrieben. Am Beispiel der Permagold Oberlausitz GmbH ist der Dorfladen in Nebelschütz auch der soziale Treffpunkt, so wie man sich einen Tante-Emma-Laden im ländlichen Raum eben vorstellt.
Wie wird bei Permagold die Stadt-Land-Beziehung erlebbar bzw. wie wird sie aktuell gelebt?
AK: Erlebbar wird diese Beziehung durch die Vielzahl der Genossenschaftsmitglieder:innen, von denen eine Vielzahl aus städtischen Regionen wie Dresden kommt. Dort suchen insbesondere junge Menschen nach einer Rolle, die sie nicht nur Konsument:in sondern Teil der gesamten Wertschöpfungskette bis zum fertigen Lebensmittel sein lassen. Dies realisieren sie durch praktische und körperliche Arbeit auf dem Feld oder einfach nur durch den Wissenstransfer. Wie funktioniert eigentlich die Erzeugung und Verarbeitung von gesunden regionalen Lebensmitteln? Ist das für mich eine Alternative zu Lidl, Aldi, Netto und Co.? Ist das eine Möglichkeit, dass ich gut leben kann, einen Beitrag für eine gesunde Umwelt und nachhaltige Entwicklung leisten kann und dabei meinem Körper noch etwas Gutes tue? Ich denke, dass die Permagold eG diese Möglichkeiten mit einer gewissen Verbindlichkeit und Langzeitperspektive anbieten kann und damit den eigenen Anspruch verfolgt, jedes Jahr etwas weiter zu wachsen und zusätzliche Perspektiven zu erschließen.
Wichtig ist, dass in der Genossenschaft jede Stimme Gehör findet und viel Freiheit in der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft gelassen wird. Das Schönste sind die Pflanz-, Pflege- und Bauaktionen, wo sich immer wieder Freiwillige aus der Stadt auf den Weg nach Nebelschütz machen und die Arbeit auf der Fläche und beim abendlichen Zusammensein in ländlicher Umgebung genießen.
Glaubst Du, dass dadurch ein besseres Verständnis zwischen Stadt und Land erzeugt werden kann?
AK: Das Modell, mit regionalen Erzeugerbetrieben zusammen zu arbeiten, hat den Effekt, dass die Menschen vor Ort jeden Tag dabei sind und helfende Dresdner:innen mit offenen Armen empfangen. So entstehen Dialoge und der Austausch von Erfahrungen und Sichtweisen, den man sonst vermutlich nicht hätte. Auch Kunst und Kultur im ländlichen Raum spielen bei uns rein, z. B. Land Art-Projekte, die internationalen Bildhauer-Tage und Dorffeste in Nebelschütz. Das sind Orte, wo landwirtschaftliche Erzeugung und kulturelles Leben auf dem Land zusammenfließen und Dialog und Verständnis für den Raum Oberlausitz erzeugen.
Was würdest Du jungen Menschen raten, die Lust haben, landwirtschaftlich tätig zu werden, die aber weder Geld noch Fläche haben? Wie können die am besten zur Agrar- und Ernährungswende beitragen?
AK: Da stelle ich mir Schulabgänger:innen vor, die Lust haben, einen grünen Beruf zu erlernen, oder sich noch unklar sind, was sie machen wollen. Da gibt es die tolle Möglichkeit des Bundesfreiwilligendienstes, wo man bei zahlreichen gemeinnützigen Trägern Erfahrungen sammeln kann. Ich habe über 20 Jahre beobachten können, wie junge Menschen, die ein freiwilliges ökologisches Jahr in der Tierhaltung oder im Pflanzen- und Gartenbau gemacht haben, ihren Lebensweg darüber gefunden haben bzw. enorm beeinflussen konnten. Die sind dann entsprechend in die Fachausbildung oder ins Studium gegangen, um das Gelernte weiter zu vertiefen. Ein ehemaliger BUFDI von uns ist an die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde gegangen, um dort Umweltmanagement, -monitoring und Agrarmarketing im ökologischen Landbau zu studieren. Schon während des Studiums finden Vernetzungen statt zu praktizierenden Landwirten. Gerade in diesem Bereich gibt es jetzt und in Zukunft Fachkräftebedarf, der durch diese jungen interessierten Leute gedeckt werden kann.
Auf der anderen Seite gibt es kaum freie Flächen für solche Menschen, die landwirtschaftlich tätig werden wollen. Der eigenständigen Entwicklung einer Landwirtschaft sind enge Grenzen gesetzt. Eine mittelschwere Frage ist die Finanzierung. Da sollte man keine Scheu haben, die gängigen Länderprogramme anzuzapfen, wie z. B. die Gründerhilfe für Betriebe des ökologischen Landbaus. Es gibt die landwirtschaftliche Rentenbank mit der Förderung für junge Landwirte, es gibt die GLS Bank als etablierte Umweltbank in Deutschland, die speziell für den Bereich Ökolandbau eigene Förderprogramme bereithält. Da sollte man den Rat von erfahrenen Beratern suchen, um die unternehmerischen Risiken überschaubar zu halten.
Tätig werden kann man natürlich immer bei Solidarischen Landwirtschaften oder bei Verbrauchergemeinschaften, die natürlich stark städtisch geprägt sind aber Wege in den ländlichen Raum aufzeigen. Auch bei der Permagold Genossenschaft suchen wir immer nach interessierten Menschen, die uns unterstützen wollen. Meldet Euch gerne bei uns!
https://perma.gold/
Sächsisch-Gut eG ist eine Absatz- und Vermarktungsgenossenschaft von Erzeuger:innen aus Sachsen. Juliana Förster ist Agrarwirtin momentan in Elternzeit. Sie kümmert sich bei der Sächsisch-Gut eG umd die Projektleitung und Öffentlichkeitsarbeit.
Hallo Juliana, wie war das, als du bei Sächsisch-Gut in der Projektleitung begonnen hast, wusstest du schon, was auf dich zukommt?
Nein, das ganze Thema Handel und Absatzgemeinschaft war Neuland für mich. Ich musste mich erst mal in die verschiedenen regionalen Strukturen und Handelsabläufe einarbeiten. Jeden Tag kam etwas Neues dazu.
Wann und warum hat sich Sächsisch-Gut gegründet?
Wir haben uns 2019 gegründet, um gegen den Großhandel stärker auftreten zu können, flexibler zu
sein und eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Die Preise waren zu dem Zeitpunkt so gering, dass man für einen Verkaufspreis von 20 Euro pro Kalb nicht einmal die Besamung der Kuh gedeckt wurde. Das wollten wir nicht mehr so hinnehmen. Wir wollten gemeinsam innovative Ideen in einer
Genossenschaft entwickeln und wertvolle Produkte dem Handel vorstellen.
Was vermarktet ihr als Absatz- und Vermarktungsgemeinschaft?
Die Ursprungsidee war, Fleisch und Wurstwaren zu vermarkten. Durch die Vielfältigkeit der Betriebe sind jetzt aber auch Molkereiprodukte, Obst und Gemüse und sogar ein Betrieb mit eigenen Ölen dabei.
Wie viele Betriebe sind bei Sächsisch-Gut eG gelistet und welche Voraussetzungen müssen sie erfüllen, um dabei sein zu können?
Wir sind aktuell 7 Betriebe. Wir schauen, ob ein Betrieb von seinen Produkten her gut ins Sortiment passt. Er muss unseren Standards entsprechen und ein regionaler Bezug muss erkennbar sein. Wenn ein Betrieb z. B. Leinöl produziert, dann sollte die Leinsaat auch in der Region angebaut sein und nicht von weit weg importiert sein.
Welchen Vorteil hat es für die Betriebe, in der Genossenschaft zu sein?
Die vielen unterschiedlichen Köpfe, die gemeinsam für eine Sache kämpfen: wertvolle Produkte für die Region zu produzieren. Man muss nicht überall Spezialist sein, denn was man nicht gut kann, dass kann vielleicht mein Nachbar gut, und andersherum. Wir profitieren alle vom Teamgeist und der Gruppendynamik. Das ist ein Thema, dass bei vielen Betrieben in der Direktvermarktung noch nicht ganz angekommen ist. Unsere Mitglieder sind eingebunden von der ersten Idee bis zum Produkt im Laden: Da hat jeder einen anderen Blick und das ist gut und bereichernd.
Was macht das Arbeiten als Absatzgemeinschaft im Kern aus? Welche Vorteile hat es, bei Sächsisch-Gut eG dabei zu sein?
Jeder Tag bringt eine neue Überraschung, kein Tag ist wie der andere. Es kommen immer neue Herausforderungen, denen wir gemeinsam begegnen. Wir treffen uns ca. 2 x im Jahr, dazwischen gehen viele Mails und Telefonate hin und her.
Es wird ständig abgefragt, wer was braucht. Die Preise werden individuell abgesprochen, das sind oft harte Preiskalkulationen. Mittlerweile haben wir auch eine gemeinsame Produktpalette, die ausschließlich über die Marke “Sächsisch-Gut” vermarktet werden, wie die Wiesensalami, den Bauernschmaus und den Heukäse.
Welche Entwicklung habt ihr seit eurer Gründung durchgemacht?
Die Anfangszeit forderte viel Zeit und Mühe von jedem Mitgliedsbetrieb. Wir mussten eine gemeinsame Strategie finden, wie wir mit ähnlichen Produktpaletten der Betriebe umgehen. Es will natürlich kein Betrieb seinen Marktwert abgeben, sondern man muss einen gemeinsamen entwickeln.
Wir haben uns auch bewusst für eine Genossenschaft entschieden, um die Idee der Gemeinschaft und nicht das Finanzielle in den Vordergrund zu stellen. Das bedeutet immer kurzfristig Abstriche für den einzelnen Betrieb, auch wenn auf lange Sicht Jeder profitiert. Es gab auch viel Innovation: Jeder Betrieb hat sich neu beleuchtet und weiterentwickelt: Es wurden z. B. neue Stallungen zugunsten für mehr Tierwohl gebaut und Hofläden mit einem ganz neuen Konzept umgestaltet. Wir haben uns alle selbst hinterfragt und sind dadurch erfolgreicher geworden.
Wo werden die Produkte von Sächsisch-Gut verkauft?
In den Hofläden und im Lebensmitteleinzelhandel wie REWE. Viele Supermärkte haben aber eine zu hohe Marge, da haben wir mit unserem relativ hohen Einstiegspreis keine Chance.
Welche Aufgaben hat sich Sächsisch-Gut für die Zukunft gestellt?
Wir suchen neue Absatzwege, insbesondere im regionalen Großhandel. Der muss allerdings noch aus dem Corona-Winterschlaf aufwachen. Während der Pandemie hatten viele Läden Angst, sich teure Produkte einzulagern. Auch die Logistik ist eine ständige Herausforderung. Wir haben lange überlegt, wie man das untereinander regelt. Das übernehmen jetzt Externe für uns. Wir sind aber ständig dabei, sinnvolle Kleinst- und Großmengen für einen effizienten Transport zu definieren. Selbst eine Spedition musste schon kündigen, weil sie es nicht mehr schaffen konnte. Deswegen sind wir immer auf der Suche nach neuen Ideen und schauen uns um, wie z. B. in Brandenburg bei der Landlogistik, Youbuyda oder den Meck-Schweizern.
Und natürlich wollen wir die Absatzgemeinschaft finanziell auf stabile Beine stellen. Die Absatzgemeinschaft gibt es aktuell dank einer EU-Förderung nach LEADER-Richtlinien, aber in Zukunft soll sie sich selbst finanzieren. Corona hat da leider viel gebremst. Aber ich bin zuversichtlich. Wir müssen nicht alleine stark sein, selbst wenn man am Anfang erstmal Leidensgenosse ist.
Vielen Dank Juliana, wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg! Wer auch mal die Produkte von Sächsisch-Gut probieren möchte, findet auf der Website www.saechsischgut.de Infos zu Verkaufsstellen in der Nähe. Auf Instagram wird man unter saechsischgut fündig.
Links zu Logistikdienstleistern:
Heute sind wir bei den UFER-Projekten Dresden e. V. zu Gast. Der Verein koordiniert das Netzwerk von acht Gemeinschaftsgärten in Dresden und betreibt aktive Bildungsarbeit für nachhaltige und regionale Ernährung in der Stadt. Das Gespräch mit Sebastian Kaiser, Gründungsmitglied des Vereins, findet in der „Alten Gärtnerei“ statt, ein Kleinod mitten in Dresden-Pieschen, das - wie der Name schon sagt - einen früheren Gärtnereistandort umfasst und Raum für Neues schafft. Auf dem Areal befinden sich zum Beispiel der Schaugarten „Essbare Stadt“, der Gemeinschaftsgarten „Wurzelwerk“ und nicht zuletzt der Gemeinschaftsküchen-Container Koko, wo man sich zum Verarbeiten der angebauten Lebensmittel oder zu Bildungsveranstaltungen trifft.
„Wir haben angefangen, weil sieben Menschen sich gewünscht haben, dass es mehr Gärten für die Stadt und ihre Bewohner:innen geben sollte, wo Menschen ihr Essen selbst anbauen können und Raum für Begegnung und Austausch entsteht,“ blickt Sebastian auf die Entstehung der UFER-Projekte Dresden e. V. zurück (die Abkürzung UFER steht für ‚Urbane Freiräume erschließen Ressourcen‘). „Die Menschen in der Stadt gestalten diese Räume selbstbestimmt, und wir schaffen den Rahmen dafür. Wir sind Plattform für alle, die das wollen und stellen die Ressourcen dafür bereit,“ ergänzt er und streckt sich auf den hölzernen Sitzgelegenheiten vor dem Koko der Frühlingssonne entgegen.
Jetzt geht die Gartensaison so langsam wieder los in Dresden. Neugärtner:innen lösen alte ab, Pflanzpläne werden geschmiedet und die Vorfreude steigt langsam auf das Grün, das da wieder sprießen wird. Nach zwei Jahren Pandemie ist ein enormer Bedarf nach Austausch im Rahmen von Bildungsveranstaltungen und anderen Treffpunkten vorhanden. „Wir möchten wieder mehr raus in die Stadtgesellschaft,“ meint Sebastian und deutet damit auf den Wegfall von persönlichen Begegnungen und lebendigem Miteinander aufgrund von Corona hin. Mit dem Fokus auf urbane Grün- und Gartenflächen ist der UFER-Projekte Dresden e. V. eng mit dem Ernährungsrat Dresden und Region und den im Umland wirtschaftenden Solidarischen Landwirtschaften (Solawi) verbunden. Es gab und gibt auch immer noch Gemeinschaftsgärtner:innen, die zusätzlich Ernteteile bei einer der Solawis haben, da hier das Verständnis füreinander und für die Prozesse für Erzeugung und Verbrauch von Lebensmitteln und Sympathie vorhanden ist. „Manchen Städter:innen wollen die eigenen angebauten Lebensmittel dann noch näher haben und kommen dann von der Solawi wieder zu uns,“ meint Sebastian. So ergänzen sich urbane Gärten und Solawi-Anbauflächen für die Erzeugung von regionalen Lebensmitteln sehr gut.
Mit Gemeinschaftsgärten allein werde man nie eine Stadtgesellschaft mit regionalen Lebensmitteln versorgen können; dazu gehören weitere Erzeuger:innen wie eben größer angelegte urbane Landwirtschaften, die Solawis, die Agrargenossenschaften im Umland oder auch der Eigenanbau auf dem Balkon. Zusammen bietet dieses Mosaik an Erzeugerstandorten vielfältige Ressourcen für regionale Ernährung an.
Alle in den UFER-Gemeinschaftsgärten erzeugten Lebensmittel dienen dem Eigenbedarf. Dafür sei die Menge zu gering, meint Sebastian. „Die Beerenkulturen hier in der Alten Gärtnerei dienen zur Selbstpflücke, was einem Verkauf schon recht ähnlich ist. Aktuell verkaufen wir schon Beerensträucher, und vielleicht entwickeln wir uns auch mal in Richtung Baumschule. Platz für eine Stachelbeere oder Himbeere ist überall,“ findet Sebastian und unterstreicht damit die Vision des Vereins von einer Essbaren Stadt Dresden. Die Veredelung der in den Gärten angebauten Lebensmittel findet direkt vor Ort im Rahmen von Koch- oder Fermentations-Workshops sowie Dinner-Events im Gemeinschaftsküchen-Container KOKO statt.
„Wir bieten den Raum für Bildung & Community für urbanes Gärtnern,“ fasst Sebastian die Kernkompetenz des UFER e. V. zusammen. Auch Themen aus der Landwirtschaft, die vor den Toren der Stadt passiert, wurden bereits angesprochen, doch leider fehle es bisher an den Austauschformaten im Stadt-Land-Kontext. „Der Bauer aus dem Umland hat zu wenig Zeit, um abends an unseren Veranstaltungen zum Thema regionale Ernährung teilzunehmen,“ ist sich Sebastian sicher. „Abends nach Füttern und Stallarbeit hat man dann oft keine Lust mehr, noch in die Stadt zu fahren, um an einer Talkrunde teilzunehmen.“
Die großen Fragen der Agrarpolitik werden in den Dresdner Gemeinschaftsgärten während der abendlichen Gemüsebeetpflege generationenübergreifend verhandelt. Welche alternativen Nährstoffe führen wir dem Boden zu und wie halten wir sie dort? Wie bauen wir am besten Humus auf? Wie gestalten wir Landwirtschaft regenerativ? Was hier im Kleinen diskutiert wird, hat hoffentlich große Auswirkungen auf die Zukunft unserer Ernährungssysteme.
Mona Knorr ist Vorständin des WirGarten e. V. und Crowdfunding-Spezialistin. Sie lebt in Dresden und uns ausführlich erklärt, was es mit dem WirGarten e. V. auf sich hat.
Ein WirGarten - was ist das und warum habt ihr euch gegründet?
Ein WirGarten ist ein professioneller Gemüsebaubetrieb, der als Genossenschaft organisiert ist und nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (“Kosten und Ernte teilen”) wirtschaftet. 2017 wurde der erste WirGarten in Lüneburg gegründet - direkt als Pilotbetrieb für das WirGarten-System, mit dem wir als WirGarten e.V. weitere genossenschaftliche Betriebsgründungen ermöglichen wollen.
Den Verein gibt es bereits seit 2015. Mein Kollege Matti hat damals als Organisationsberater auch landwirtschaftliche Betriebe beraten und gesehen, wie schwierig die Lage auf vielen Höfen mit den niedrigen Löhnen und der hohen Verantwortung, die auf einzelnen Personen und Familien lastet, ist.
Unsere Vision war es deswegen, einen Betrieb zu gründen, bei dem das anders ist: Ein Konzept für einen Gemüsebaubetrieb zu finden, bei dem sich die Betriebsgründer:innen nicht verschulden müssen bis in alle Ewigkeit, der personell so stabil aufgebaut ist, dass Betriebsleiter:innen auch krank werden dürfen, in Elternzeit gehen können oder Urlaub nehmen können. Die Lösung dafür haben wir in einer Genossenschaft gesehen: Die Investitionen für den Betrieb werden von den Genossenschaftsmitglieder:innen getragen, sie sind die Eigentümer:innen. Das ermöglicht auch, dass Betriebsleiter:innen nicht für alle Ewigkeiten an einen Ort gebunden sind- sie können nach ein paar Jahren umziehen, sich weiter orientieren, ohne dass der Gemüsebetrieb gefährdet ist. Das macht es attraktiver für Menschen, als Gemüsegärtner:innen einen Betrieb zu führen und schafft gleichzeitig eine Stabilität in der regionalen Versorgung.
In Lüneburg haben wir dann mit 105 Bürger:innen zusammen den ersten WirGarten gegründet, und die Erfahrungen, die wir dort gemacht haben, sind in das WirGarten-System eingeflossen. Das Vorbild für den ersten WirGarten war übrigens das Kartoffelkombinat in München, das zu dem Zeitpunkt die einzige genossenschschaftlich organisierte Solawi in Deutschland war. Es ist mittlerweile eine richtig große Genossenschaft mit über 1500 Ernteanteilen - die WirGarten-Genossenschaften werden auf jeden Fall kleiner bleiben, momentan gehen wir von etwa 500-600 Ernteanteilen aus.
Helft ihr Neueinsteigern auch bei der Suche nach Anbauflächen und dem Aufbau der Genossenschaft?
Ja, wenn sie im WirGarten -System starten, dann leisten wir viel persönliche Beratung und unterstützen sozusagen von Stunde 0 an. Es ist aber immer gut, wenn etablierte Institutionen, die in der Region verankert sind, mit ins Boot geholt werden. So kann z. B. auch eine Volksbank oder ein Verein einen WirGarten mitinitiieren. Das Netzwerk und die regionale Expertise, die dadurch zur Verfügung stehen, können die Flächensuche und das Finden von Genossenschaftsmitgliedern stark vereinfachen.
Welche Voraussetzungen brauchen potentielle Betriebsleiter:innen, um mit euch einen WirGarten zu gründen?
Das Gründungsteam sollte aus zwei Betriebsleiter:innen bestehen: Eine Person sollte eine landwirtschaftliche Ausbildung und drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Sie managt alle landwirtschaftlichen Abläufe. Das WirGarten System ist so konzipiert, dass der Betrieb mit mindestens 350 Ernteanteilen auf 10 Hektar Fläche startet. Um einen so großen Betrieb zu leiten, braucht es Fachwissen und Erfahrung.
Die zweite Person kümmert sich um alle administrativen Aufgaben und übernimmt die betriebswirtschaftliche Leitung sowie die Öffentlichkeitsarbeit und das Communitybuilding.
Wir helfen aber auch dabei eine zweite Person zu finden, wenn man erstmal alleine zu uns kommt.
Was aber auch möglich ist, dass Gruppen von Menschen, Vereine oder NGOs einen WirGarten initiieren, und dann relativ früh das Betriebsleitungsduo gesucht wird. Und aufgrund des krassen Fachkräftemangels in der Landwirtschaft zeigt unsere Erfahrung, dass es keinen Sinn macht, einen Betrieb zu starten, ohne die landwirtschaftliche Leitung vorher zu haben.
Was bedeutet es, wenn ein sich gründender Betrieb entscheidet, eine WirGarten-Genossenschaft zu werden?
Bei der Gründung eines WirGartens bieten wir durchgehende Beratung von Tag 1 an. Wir unterstützen z. B. bei der regionalen Netzwerkanalyse gleich zu Beginn, bei der Flächensuche inkl. Entnahme von Bodenproben, der Erstellung eines Betriebskonzepts, der Suche nach Abholorten und später auch eines Flächendesigns. Wir schulen zum Betriebsstart darin, wie man die Betriebsabläufe effizient gestaltet.
Beim administrativen Teil unterstützen wir beim Aufbau der Genossenschaft, in rechtlichen und steuerlichen Fragen und bei der Kommunikation und Kampagnenarbeit, um die Community aufzubauen, die später den WirGarten trägt. Für diese Leistungen erheben wir eine Start- und Aufbaugebühr. Ich muss aber unbedingt betonen, dass wir uns als Berater:innen und Begleitung verstehen, nicht als Mitgründer:innen. Das heißt, wir machen nicht die Netzwerkanalyse, und wir suchen auch nicht die Abholorte, sondern wir befähigen die Teams, dies selbst zu tun.
Sobald der WirGarten gestartet ist, leisten wir laufende Unterstützung und Beratung zu sämtlichen landwirtschaftlichen sowie administrativen Fragestellungen. Dafür steht ein breit aufgestelltes Beratungsteam bereit.
Jede WirGarten-Genossenschaft darf außerdem den Namen “WirGarten” führen sowie alle Kommunikationsvorlagen sowie die gemeinsamen IT-Strukturen von WirGarten nutzen. Das fängt z. B. bei der Software für die Anbauplanung und Mitgliederverwaltung an und geht bis zur eigenen fertigen Homepage für den neuen Betrieb. Für die Nutzung des WirGarten-Systems und die durchgängige Betriebsberatung fällt eine Mitgliedsgebühr in Höhe von 4,5 % des Jahresnettoumsatzes des gegründeten Betriebs an. Mit der Bereitstellung und Weiterentwicklung einer zentralen Marke und IT soll sichergestellt werden, dass sich die lokalen Teams komplett auf den Anbau des Gemüses und dem Aufbau einer starken genossenschaftlichen Gemeinschaft konzentrieren können, das ist schon kompliziert genug.
Wie schätzt du das Potential für einen WirGarten in der Region Dresden ein?
Dazu habe ich noch keine tiefgehenden Recherchen angestellt. Grundsätzlich denke ich, dass hier noch Potential ist, Menschen für die Mitgliedschaft in einer GemüseGenossenschaft zu begeistern. Wie es mit den Flächen aussieht, die es dafür bräuchte, kann ich allerdings nicht sagen.
Auf eurer Website schreibt ihr, dass ihr eine faire und sichere Bezahlung für Gründer:innen anstrebt? Das ist ja in der Landwirtschaft oft schwierig zu realisieren. Wie macht ihr das möglich?
Darüber haben wir uns ziemlich viele Gedanken gemacht. Bei unserer Start- und Zielbetriebsgrößenkalkulation haben wir zuerst geschaut, welche Zielgehälter und Teamgröße wir anstreben, und dann haben wir geschaut, welche Betriebsgröße es dafür braucht., Aktuell gehen wir davon aus, dass man mit mindestens 350 Ernteanteilen startet und einem entsprechend großen Team, um personelle Ausfälle kompensieren zu können. Die Finanzplanung für einen WirGarten kann man übrigens auf unserer Homepage anschauen, die ist komplett frei zugänglich.
Worauf seid ihr stolz?
Unsere Mission ist, dass wir Menschen und Organisationen befähigen und ermutigen wollen, ein regeneratives Landwirtschafts- und Ernährungssystem mit der Regionalen Community zu gestalten. Deshalb stellen wir auch einen Großteil unseres Wissens kostenfrei für alle zur Verfügung, wie das 300-seitige Praxishandbuch und einige Tools. Damit haben wir schon vielen Gründer:innen geholfen und die Berechnungen zu Start- und Zielbetriebsgrößen, Löhnen und Wirtschaftlichkeit nutzen bereits viele andere Gemüsebaubetriebe.
Ihr gebt ja auch Kurse und Workshops zu verschiedenen Themen, ohne dass man gleich einen WirGarten gründen muss...
Ja, grundsätzlich versuchen wir auf verschiedenen Wegen, das Thema “Gemeinsam Landwirtschaft gestalten” zugänglich zu machen. Der Gründungskurs ist sehr hoch nachgefragt, den geben wir zusammen mit einem Steuerberater. Auch an dem Thema Crowdfunding in der Landwirtschaft gibt es Interesse, auch bei schon bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben. Genau das wollen wir ja auch erreichen. Für uns stellt sich immer die Frage: Wie kann es eine größere Wertschätzung für landwirtschaftliche Arbeit geben? Dafür müssen die Menschen Landwirtschaft verstehen und miterleben. Es muss nicht alles Solawi oder Genossenschaft sein, es gibt noch viele andere Möglichkeiten, wie sich landwirtschaftliche Betriebe der regionalen Community öffnen können.
Vielen Dank Mona, wir hoffen, ihr könnt viele neue Gründer:innen erreichen, und dass sich auch in der Region Dresden experimentierfreudige Menschen für die Gründung eines WirGartens finden. Mehr Informationen zum WirGarten findet ihr unter www.wirgarten.com oder bei Instagram unter @wirgarten.
Habt ihr schon mal den Dresdner “Fürchtenichts”-Salat zum Abendessen serviert? Nein? Kein Wunder, denn diese alte Gemüsesorte ist wie viele andere durch die Industrialisierung der Landwirtschaft ab den 1950er Jahren von den Äckern verschwunden. Priscila, Gärtnerin von der Solidarischen Landwirtschaft (SOLAWI) “Dein Hof” in Radebeul hat uns erzählt, wie diese traditionellen Gemüsesorten im Rahmen eines Prospecierara-Projekts wieder zum Leben erwachen sollen - und im Idealfall auch wieder bei uns auf dem Teller landen könnten.
Die Betriebe Dein Hof, Johannishöhe e. V. und Albrecht Vetters vermehren Obst und Gemüse wie die Zwiebel “Dresdner Plattrunde”, die Melone “Köstliche aus Pillnitz” und einige andere Sorten. Das Ziel ist, diese Sorten, die bisher nur in Genbanken “geschlafen” haben, wieder in den realen Anbau zu führen. Bis dahin ist es ein weiter Weg: Das Saatgut muss vermehrt, Anbau und Vermarktungseigenschaften neu gesichtet und angepasst werden. Die Wiederzulassung nach dem Saatgutverkehrsgesetz ist dabei eine besonders hohe Hürde. Doch nur so kann die Sorte auch als Saatgut an Gärtnereien verkauft werden. An den regionalen Standort angepasste Sorten sind oft
widerstandsfähiger und schmecken oft besonders. Leider ist unser Gaumen heute nur noch Standardzüchtungen gewohnt, aus denen Bitterstoffe größtenteils herausgezüchtet wurden.
Ab dem nächsten Jahr können einige alte Gemüsesorten schon probiert werden. Kund:innen bzw. Beteiligte der VG Verbrauchergemeinschaft für umweltgerecht erzeugte Produkte eG, des Vorwerk Podemus und der SOLAWI Dein Hof werden dann beim Gemüseangebot die alten Schätze entdecken können.
Für Priscila ist die Arbeit im Prospecierara-Projekt eine Möglichkeit, Biodiversität auf dem Acker zu implementieren und die genetische Vielfalt zu erhalten - ein Thema, dass sie seit ihrer Unizeit in Brasilien beschäftigt. Dort ist die Erhaltung von lokalen Sorten ein sehr emotionales Thema, denn an traditionelle Sorten sind auch immer Menschen und Geschichten geknüpft - und die Erhaltung von lokalen Sorten ein Akt des Widerstands gegen Großkonzerne und Sortenpatente.
Kontakt: Prospecierara